WANDERN IN DER WETTERAU: IN RöTLICHES LICHT GETAUCHT

Nicht lange liegt es zurück, da pfiff buchstäblich der Wind durch die Rundbogenfenster von Kloster Konradsdorf. Nach Jahren des Verfalls, verbunden mit weitreichenden Überlegungen, wie und ob man dieses romanische Kleinod bei Ortenberg in der Wetterau durch Nutzung erhalten könnte, kam 2016 unvermittelt die frohe Kunde aus Wiesbaden, sich des Sanierungsfalls anzunehmen. Rund sechs Millionen Euro ließ sich das Land Hessen Restaurierung und Erforschung eines seiner bedeutendsten Bauwerke aus dem zwölften Jahrhundert kosten.

Seit der Wiedereröffnung 2023 steht die 1191 erstmals bezeugte Prämonstratense­rinnen-Abtei nun hell leuchtend inmitten eines Hofgutes, wo Kirche und Propstei die Säkularisation 1581, Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und Zweckentfremdungen, etwa als Kuhstall, glücklich überdauerten. Bei der Instandsetzung ging man sehr behutsam vor und rekonstruierte nur das für den Gesamterhalt Notwendige, so das linke Seitenschiff, Bodenbeläge oder Verglasungen.

Einzig mit ihrer roten Tönung in den Obergaden gestatteten sich die Restauratoren eine Abweichung von der reinen Lehre. Sie gilt dem vermuteten Lichtempfinden durch rötlichen Verputz, verstärkt vom Sandsteinrot der Bodenfliesen und den braunroten Deckenbalken. Das Kloster konnte sich dank reicher Begüterung eine vergleichsweise repräsentative Anlage leisten, wie die Kapitelle und säulchengezierten Fenster der Propstei zur Schauseite über dem Tal der Nidder nahelegen. Ob die Stiftsdamen auch von deren Schatz, salzhaltigem Wasser, profitierten, bleibt nur zu vermuten.

Die schon im achten Jahrhundert als „Seltrisse“ genannte Nachbargemeinde Selters lässt keinen Zweifel an der Kenntnis salzhaltiger Quellen zu. Zu Heilzwecken entdeckte man sie erst im späten 19. Jahrhundert. Probebohrungen ließen einen florierenden Badebetrieb erhoffen. Kurhaus, Kliniken und Grünanlagen waren schon in Betrieb, aber die Behörden verweigerten den Titel „Bad“, der Aufstieg von Selters zum Heilort war in den Sechzigerjahren beendet, ehe er recht begann.

Aus dem Sanatorium wurde ein Seniorenheim, und wo einst Kurgäste durch die Ebene der Nidder flanierten, erstreckt sich seit 1982 ein 32 Hektar großes Naturschutzgebiet. Das Gelände kann von allen Seiten gut eingesehen werden. Faunistische Raritäten stellen Schautafeln vor, ergänzt durch Mitmach- und interaktiven Stationen um und im neuen „Haus an den Salzwiesen“ der örtlichen NABU-Gruppe.

Anfahrt

Ob mit Bus oder Auto angereist, ab dem Ortenberger Zentrum sind die Altstadt und der Einstieg in den Uferweg der Nidder nur wenige Schritte entfernt. An Parkraum herrscht kein Mangel: sowohl auf dem Marktplatz als auch jenseits der Nidder oder im Mühlgrund (Zufahrt via der Straße Am Bahnhof). Am Rand überbrückt ein Fußgängersteg den Fluss, und damit links.

Wegbeschreibung

Kurz muss der Weg rechts, links dem Ufer ausweichen, ehe es daran entlanggeht, während rechter Hand Freizeiteinrichtungen und ein großer Teich vorüberziehen. Voraus kommt bald das hohe Gebäude der Neumühle in Sicht. Sie steht zwischen zwei Armen der Nidder. In den rechten setzte die Ortenberger NABU-Gruppe eine aufwendige Fischtreppe. Der Eingang zu dem Freigelände um ihr „Haus an den Salzwiesen“ liegt gegenüber der Neumühle links der Nidder.

Beiderseits des Flusses wird wegen „Brut- und Setzzeiten“ gebeten, nicht neben dem Ufer zu laufen. Dem Gesamteindruck steht die nördliche Variante aber kaum nach. Wir folgen dem Sträßchen 250 Meter, um ausgangs der lang gezogenen Rechtskurve links in den Rundweg des Naturschutzgebiets einzufädeln. Leicht erhöht liegt die weite Flur mit ihren Schilfgürteln und Heckenzonen vor uns ausgebreitet. ❶

Gegen Ende wird erkennbar, wie durchdacht man einen Vorsprung für den Standort von Kloster Konradsdorf gewählt hatte. Dorthin reichte kein Hochwasser, und man strahlte weit ins Land. Die säulchengezierten Fenster der Propstei sind zu dieser Seite kunstvoller gestaltet, wie bei Betreten der Anlage erkennbar. Ein kurzer Abstecher zu der im unteren Bereich des Hofguts stehenden Abtei führt hinauf. ❷

Retour folgen wir dem Fußweg der Bundesstraße nach rechts bis über den Linksabzweig gen Effolderbach hinaus. Der bald darauf drüben sichtbare Feldweg gibt das Signal hinüberzuwechseln, ebenso über die nahe Landstraße; mit kleinem Rechtsschlenker wird sich ihr links davon in den vergrasten Wirtschaftsweg eingereiht. Der Linksknick nach 200 Metern weist in das Dörfchen; an der ersten Straße rechts, links in die Konradsdorfer Straße und rechts mit der Pfarrstraße der durch ein auffallendes Missverhältnis von hohem neuromanischem Turm und schmalem barockem Langhaus geprägten Kirche entgegen. Den zugehörigen Friedhof passieren wir, und dann mit dem als Radstrecke ausgewiesenen Feldweg bergan zum Waldrand. Dort steht ein Dreierverbund an Zeichen bereit, die in wechselnder Besetzung auftreten – rotes Dreieck und weiß-rote Bonifatius-Route zumeist gemeinsam. Sie kreuzen die Bundesstraße und erlauben Ausblicke bis zum Glauberg, ehe sich der Waldvorhang schließt.

Der ist dank hoher Buchen freilich licht gewebt und erhält nach gut 20 Minuten ebenen Weges zudem in Gestalt prachtvoller Huteeichen ein besonderes Muster. Nun setzt langsam Gefälle ein, vermehrt, seit der Wald verlassen und nach 300 Metern in den begrasten Feldweg abgebogen wurde (ohne Markierungen). Erneut heißt es am Querweg 100 Meter tiefer rechts und nochmals knapp 100 Meter weiter links unverändert abwärts auf die Obstbäume vor Wippenbach zu.

Sehenswert

Der Ort gibt sich wie Ortenberg zweigeteilt – dem historischen Kern stehen ausgedehnte Neubaugebiete gegenüber. Am Friedhof links und nochmals links (Straße Im Oberdorf), steigen wir zwischen Fachwerkgebäuden und Gärten einen Treppenweg ab, rechts zur Ortenberger Straße und aus ihr links in das gehobene Wohnviertel der Straße In den Wingerten. Sie will in ganzer Länge durchmessen sein, am Ende rechts, links und unten zwischen Kleingärten zum Ausgangspunkt an der Nidder.

Für die Besichtigung der Altstadt führen vom Marktplatz an recht steile Gassen hindurch, vorbei am Alten Rathaus zu den drei Wahrzeichen von Ortenberg: Obertor, klassizistisches Schloss und die gotische Marienkirche mit ihrem berühmten „Goldaltar“. Reizvoll ist auch ein Bummel in den Abendstunden, wenn Scherenschnittmotive auf den Laternen sichtbar werden. ❸

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